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Wie stark wird die Corona-Krise die Immobilienwirtschaft treffen? Das haben wir unseren HSBA-Professor, Prof. Dr. Ralph W. Hofmann, gefragt:

Wie stark trifft die Corona-Krise die Immobilienwirtschaft?

Sehr viel hängt davon ab, wie sich die Gesamtwirtschaft während und vor allem nach Corona entwickeln wird. Reden wir von einem kurzen “V”, reden wir von einem langgezogenen “U”, oder reden wir möglicherweise von einer langen und tiefgreifenden Weltwirtschaftskrise? Die Meinungen bzw. Einschätzungen der Ökonomen gehen ja doch sehr weit auseinander. Aber egal was kommt, es wird natürlich Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben, doch sind diese in ihren konkreten Ausformungen nicht leicht prognostizierbar. Die Gründe einer schwierigen Prognose haben ihren Ursprung in den zahlreichen Abhängigkeiten und Einflussfaktoren, denen Immobilien unterworfen sind und in mancherlei Hinsicht den gesamtwirtschaftlichen Geschehnissen hinterherhinken. Dazu kommt, dass jede Assetklasse, also Immobilientype, unterschiedlich betrachtet werden muss – ein Wohnungsbau ist kaum vergleichbar mit einem Hotel oder einem Shopping-Center. Und letztlich werden auch die verschiedenen Sektoren der Immobilienwirtschaft unterschiedlich betroffen sein. All das macht die Sache kompliziert bzw. lässt keine einfachen Antworten zu.

Grundsätzlich befand sich die Branche vor allem aufgrund der lockeren Geldpolitik der EZB in einer seit langem anhaltenden Boomphase. Doch mit den steigenden Immobilienpreisen hatten die Anleger zugleich mit einer Renditekompression historischer Dimension zu kämpfen und jeder, der nicht auf den Kopf gefallen ist, ging davon aus, dass sich der Immobilienmarkt sowieso in einer spätzyklischen Phase befindet. Das war schon vor Corona der Fall. Aber keiner konnte sagen, wann es abwärts gehen würde. Ich denke, dass nun der Zeitpunkt für einen Abschwung gekommen sein wird. Mit den drohenden Firmenpleiten aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise fallen Mieteinnahmen weg, was viele Geschäftsmodelle in der Immobilienwirtschaft stark unter Druck setzt. Sie müssen zudem wissen, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Immobilien auf Annahmen in der Zukunft beruhen, in denen angenommene Wertzuwächse eingerechnet sind; ansonsten konnte man sie wirtschaftlich gar nicht mehr darstellen. Wenn diese Wertzuwächse nicht eintreten und viele Immobilien aufgrund von hohen Leerstandsraten im Portfolio nicht performen, reden wir auch in der Immobilienbranche von negativen Renditen. Meine Prognose lautet also, dass zahlreiche Immobilien und Portfolios wertberichtigt werden müssen. Das wird schmerzhaft. Wie sehr es wehtun wird, hängt - wie gesagt – von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie dem Konsumverhalten der Bevölkerung ab; letzteres insbesondere vor dem Hintergrund von Handelsimmobilien.

 Aber abgesehen von den aktuellen Problemkindern, wie beispielsweise Hotels oder Shopping-Center, haben wir ironischerweise in Deutschland aber recht gute Voraussetzungen, mit einem blauen Auge davonzukommen - wie gesagt, vorausgesetzt, dass sich die Rezession in Grenzen hält. Es wurde viel entwickelt und gebaut und dennoch blieb die Nachfrage, vor allem nach Büroflächen, hoch und in weiterer Folge die Leerstandsraten dauerhaft niedrig. Das bedeutet, dass es möglicherweise einen Puffer zwischen dem Nachfrageüberhang und kommenden Mietausfällen gibt, der zu einer Stabilisierung der Branche führen könnte. Der Wohnungsbau ist neben Logistikimmobilien sicher der stabilste Faktor im Immobilienbereich, da es ein Grundbedürfnis abdeckt. Aber sogar dieses Segment kann durchaus für Eigentümer eine Mühsal werden, wenn im Falle einer Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit Mietausfälle verbunden wären.

Ich glaube, es gibt viele Gründe für die Immobilienwirtschaft nervös zu sein. Zum Glück lassen sich Immobilienmenschen nicht so schnell wie andere ihre gute Laune verderben. Sie sind ein recht krisenfestes Völkchen und scheinen die stoischen Eigenschaften ihres Produktes verinnerlicht zu haben. Dennoch bin ich mir sicher, dass hinter den Kulissen sehr viel Unruhe herrscht.

 

Ändern sich dadurch die Preise? Werden Immobilien jetzt günstiger?

 Ich denke, dass auch die Preisentwicklung sehr stark von den bereits oben genannten Faktoren abhängig ist. Allerdings kommt bei der Frage der Preisentwicklung noch eine weitere Einflussgröße hinzu, nämlich die Lage. Reden wir von zentralen Lagen in beliebten Investitionszielmärkten, oder von Klein- und Mittelstädten?

Vereinfacht gesagt ist es so, dass sich der Wert gewerblicher Immobilien über die jährlichen erzielbaren Nettomieteinnahmen plus angenommene Wertzuwächse bestimmt. Wie schon bei der ersten Frage beschrieben, befinden sich die meisten Kalkulationen bereits “auf Kante”. Wenn der oben beschriebene Puffer aufgebraucht ist und sich die Wirtschaft nicht rasch vom Corona-Schock erholt, muss man von einer höheren Leerstandsrate ausgehen, was automatisch dazu führen würde, dass die Preise von gewerblichen Immobilien nachgeben und die Renditen entsprechend steigen werden.

Allerdings gibt es auch ein Gegenargument: Grundsätzlich gilt, dass in wirtschaftlich unsicheren Zeiten oder Wirtschaftskrisen Investoren ihr Kapital ganz gerne in vermeintlich wertstabile Immobilien, also vor allem in begehrten Lagen, anlegen. Investoren sind sehr opportun; sie investieren immer dort, wo das Risiko-Rendite-Verhältnis für sie am besten erscheint. Es wird also an diesem Punkt ausschließlich davon abhängen, wie sich der Finanzmarkt entwickeln wird, der wiederum von der Realwirtschaft beeinflusst wird. Bei drohenden Wertverlusten an den Finanzmärkten sind Investoren mitunter bereit, Immobilien mit einer defacto negativen Kapitalisierung zu erwerben. Das war eine kurze Zeit während der Finanzkrise im Jahr 2008 beispielsweise am Wiener Zinshausmarkt beobachtbar. Das hat aber zugleich dazu geführt, dass die Immobilienpreise weiter gestiegen sind, was die ursprünglich miserable Anfangsrendite x-fach kompensiert hat und den Anlegern hübsche Wertzuwächse beschert hat.

In Krisen ist allerdings eine wachsende Spreizung der Verkehrswerte zwischen guten Lagen und weniger guten Lagen zu beobachten. Während gute Lagen weiterhin gut performen können, fallen in allen anderen bzw. schlechteren Lagen die Preise stark. Das Verhalten ist wohl durchaus vergleichbar mit dem Phänomen der Fluchtwährungen, deren Wert auch steigen, weil alle den vermeintlich sicheren Hafen aufsuchen. Schweizer Franken ist gleich erstklassige Lagen in A-Städten ohne Rendite mit hoher Sicherheit, Türkische Lira ist gleich Kleinstadt in Mittelhessen mit hübscher Rendite aber hohem Risiko.

Aktuelle Gewinner sind derzeit Logistikimmobilien. Logistikimmobilien haben aber schon seit vielen Jahren den früheren Status des “Hidden Champion” verloren und stellen seit “Amazon & Co” sehr begehrte Anlageobjekte dar, was sich in Zeiten boomenden Onlinehandels noch weiter verstärkt. Allerdings sind die Risiken, die in der Fragilität globaler Wertschöpfungs- und in weiterer Folge Lieferketten liegen, kurz- und mittelfristig nicht absehbar. Es ist jedoch langfristig davon auszugehen, dass Logistikimmobilien auf der Erfolgsspur bleiben, um die sich viele Anleger prügeln werden und damit die Preise in die Höhe und die Rendite in die Knie zwingen; vor allem dann, wenn die Luft bei anderen Assetklassen dünn wird. Beim Wohnungsbau kann ebenfalls von einer stabilen Wertentwicklung ausgegangen werden. Die Preisentwicklung aller anderen Immobilienarten, also Büro, Handel und Hotels sind – wie gesagt – abhängig von dem zukünftigen Konsumentenverhalten, der Reisefreudigkeit bzw. der weiteren Entwicklung der Gesamtwirtschaft, wobei sich Büroflächen noch am ehesten als vergleichsweise solide erweisen können.

 

Wie stark sind die Immobilienunternehmen von der Krise betroffen?

Das hängt vom jeweiligen Geschäftsfeld eines Immobilienunternehmens ab. Denke ich an Dienstleistungen in den Bereichen Facility-, Property- oder Asset Management sieht es auch in schwierigen Zeiten sicher nicht schlecht aus. Die Gebäude müssen auch weiterhin gemanagt und betreut werden, egal wie sich der Markt entwickelt. Insbesondere Asset Manager haben im Vergleich zu vielen anderen Branchen den großen Vorteil, dass laufende Gebühren auf ihre betreuten Assets den großen Teil ihrer Einnahmen ausmachen und deren Expertise auf strategischer Objektebene in schwierigen Zeiten sehr gefragt ist.

Im Investmentbereich wird das Transaktionsvolumen aufgrund der vorher beschriebenen Ursachen deutlich zurückgehen, sodass erhebliche Einnahmen aus Transaktionsvergütungen wegfallen werden. Vernünftige Investitionsmöglichkeiten in Form von Objekten oder Projekten sind sicher rar bis nicht vorhanden. Ich gehe davon aus, dass diese Unternehmen in Deckung gehen und mit einschneidenden Kostensenkungsprogrammen reagieren werden. Ich fürchte, dass das auch mit nicht unerheblichen Entlassungszahlen einhergehen wird. Tatsache ist, dass Immobilienfonds mit einer größeren Diversifikation vergleichsweise besser durch den Sturm kommen als Fonds, die auf eine Assetklasse bauen.

Im Bereich der Projektentwicklung hängt das Ausmaß der Betroffenheit sehr von der Assetklasse ab, auf die ein Investor fokussiert ist. Hotel und Shopping befinden sich vorerst sicher mal auf Tauchstation, das Bauträgergeschäft bzw. der Wohnungsbau dagegen werden weiterlaufen, Logistik sowieso. Derzeit herrscht sicher so etwas wie Schockstarre. Mieter halten sich mit der Anmietung neuer Flächen zurück, was ich in der derzeitigen Situation verstehen kann.

Im Planungs- und Bausektor muss man sehen, wie sich die Gesamtkonjunktur hinbewegt. Es kann ja sein, dass auf staatlicher Seite Investitionsprogramme etabliert werden, die den Immobilien- und Bausektor weiter antreiben. Derzeit haben jedoch die Bauunternehmen mit Lieferengpässen und Personalproblemen zu kämpfen, da ja ein nicht unerheblicher Teil der verbauten Produkte sowie die Arbeiter aus dem umliegenden Ausland kommen. Das alles führt zu Verzögerungen und Mehrkosten, die kurzfristig eine erhebliche Schieflage bei Bauunternehmen sowie Investoren erzeugen kann.  

Auf der Habenseite steht die sicher noch lange Zeit weiterbestehende Niedrigzinsphase und die großen Geldmengen, die in den Markt gepumpt werden. Allerdings stellen sich derzeit die Banken als der Flaschenhals dar, die aus Risikoerwägungen heraus die Liquidität nicht an die Unternehmen weiterreichen, und wenn sie es tun, dann mit entsprechenden Risikoaufschlägen und höheren Anforderungen an die Besicherung von Krediten.

 

Welche nachhaltigen Entwicklungen erwarten Sie für den Immobilienmarkt? Hat die Corona-Krise langfristige Auswirkungen?

Ich verdeutlichte bereits, dass auch ohne Corona früher oder später von einem Abschwung ausgegangen werden musste. Corona stellt also nur den Auslöser dar. Was sich allerdings aktuell in den Bereichen Hotel, Gastronomie und Handel abspielt, ist jenseits von Gut und Böse und hat wenig bis nichts mit einer “normalen” Abschwungphase gemein. Diese Bereiche werden meiner Einschätzung nach lange brauchen, um sich zu erholen. Womöglich werden damit auch strukturelle Veränderungen langfristiger Natur einhergehen.

Ich erlaube mir jedoch an dieser Stelle einen großen Bogen zu spannen, wenn schon nach langfristigen Entwicklungen gefragt wird. Ich hoffe nämlich, dass wir den aktuellen Schuss vor den Bug zu nutzen, um über die Richtigkeit unseres Tuns im Sinne eines nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ernsthaft nachzudenken. Im wirtschaftlichen Kontext hat das Umdenken von einer reinen Shareholder Value Orientierung hin zum Stakeholder-Prinzip, also der Berücksichtigung aller Anspruchsgruppen, längst begonnen; doch passieren bis dato diese Prozesse meines Erachtens unter unvollständigen Bedingungen. Zum einen ist der Einfluss auf das globale Ökosystem relativ unbedeutend, wenn eine – sagen wir – Deutsche Immobilien-Investmentgesellschaft ihren Bestand auf Energieneutralität trimmt, während weltweit ungefähr 1400 Kohlekraftwerke mit neuen Kapazitäten von gut 670 Gigawatt dazu kommen, was einem Drittel der aktuell installierten Kapazitäten entspricht. Zum zweiten sind es die Bedingungen eines neoliberalen Marktverständnisses sowie geopolitische Einflussgrößen, die stets dazu führen, dass im internationalen Wettbewerb Akteure durch Missachtung, ja sogar Leugnung von Nachhaltigkeitsprinzipien, erhebliche Wettbewerbsvorteile lukrieren. Solange nicht alle mit denselben Regeln spielen, also insbesondere externe Effekte in die Kosten der Produkte oder Dienstleistungen internalisiert werden, liegt ein Marktversagen oder zumindest eine Marktverzerrung vor.

Ich antworte also auf diese Frage eher mit einem Plädoyer, dass von der Idee getragen ist, dass Europa im Verbund und als großer Binnenmarkt ein Modell und Vorbild für andere Wirtschaftsräume auf dieser Welt werden könnte, wenn es um eine Transformation eines ressourcenverschlingenden Wirtschaftssystems in eine nachhaltige Form des Wirtschaftens bei größtmöglichem Wohlstand geht. Und dabei spielt eben die Immobilienwirtschaft sowie die Raumordnung eine ganz zentrale Rolle. Ich sehe in diesem Transformationsprozess vor dem Hintergrund des “Green Deals” auch große Wachstumspotenziale und neue Geschäftsfelder.

Die Alternative lautet, dass wir synchron zur gesamtwirtschaftlichen Erholung in der Nach-Corona-Zeit zur alten Normalität zurückkehren.

So gesehen bietet die Krise auch Chancen für neue Entwicklungen - gerade auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung, richtig?

Klar bietet jede Krise auch stets die Chance für neue Entwicklungen und Wachstumschancen in sich. Ich schreibe derzeit an einem Papier, dass die Raumordnung auf neue Beine stellen würde. Dies mit dem Ziel, die immobilienwirtschaftlichen Aktivitäten auf echte Nachhaltigkeit unter Einbeziehung von so genannten Cluster-Strategien, ökologischer Landwirtschaft und kleinräumigeren Strukturen auszurichten. Damit wären umfangreiche Investitionen verbunden, die für die Immobilienwirtschaft neue Tätigkeitsfelder eröffnen würde. Dass die Digitalisierung dabei eine zentrale Rolle spielt, liegt auf der Hand. Prinzipien der “Smart City” und “Smart Buildings” werden im Zusammenhang mit Lebenszyklusoptimierung, Energieverbräuche, Gebäudeautomation, Kommunikation und der technischen Ausgestaltung von Arbeitsumgebungen weiter die Digitalisierung im Immobiliensektor vorantreiben. Außerdem wird die autonome Mobilität in enger Verbindung mit unserer gebauten Umwelt eine zentrale Bedeutung einnehmen.

Ich glaube auch, dass in Zukunft dezentraler gearbeitet und gebaut wird. Dies vor dem Hintergrund der Flexibilisierung von Arbeitsformen, also weg von Anwesenheiten und fixen Prozessen hin zu zielorientierten Formen der Arbeit. Dabei geht es weniger um Philanthropie, sondern um Kostensenkung.